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Ulrich von Schroeder

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Nordost-Indien: Pala-Schulen

(Übersetzung aus dem Englischen: Sylvia Hobbs)

 

Während der Pala-Periode zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert waren die buddhistischen Klöster Nordost-Indiens die wichtigsten Zentren der Mahayana- und der Vajrayana-Lehre, darunter Bodhgaya, Nalanda, Vikramashila und Odantapuri. Diese Orte zogen nicht nur Studierende aus ganz Indien und der Region des Himalaja an, sondern auch aus Tibet und dem entfernten China. Reisende Missionare und heimkehrende Besucher brachten Manuskripte, Statuen, sowie Gemälde auf Palmblättern und Stoff mit. Dies erklärt den Einfluss des Pala-Stils in allen Ländern, die sich zum Mahayana-Buddhismus bekennen, einschliesslich der Regionen des Himalaja und Tibets. Infolge der Eroberungen durch muslimische Herrscher verschwand der monastische Buddhismus in Nord-Indien am Ende des 12. Jahrhunderts.

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   Die Metallarbeiten der Pala-Kunsthandwerker in Nordost-Indien, insbesondere im 11. und 12. Jahrhundert, ähneln durch ihre Feinheit eher der Goldschmiedekunst als dem Handwerk von Metallgiessern. Unter den Statuen der Sammlung Alain Bordier befindet sich eine Seltenheit (7). Diese Messingsttue ist eine sehr frühe Nachbildung des heiligsten Buddha-Bildnisses - der Steinstatue von Buddha Shakyamuni im Mahabodhi-Stupa in Bodhgaya. Vor der muslimischen Invasion in Nordindien am Ende des 12. Jahrhunderts war der steinerne Buddha aus dem 10. Jahrhundert entfernt worden und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgestellt. Zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert belegte eine zwischen 1295 und 1298 errichtete burmesische Backsteinstatue diesen Platz im Heiligtum. Dies erklärt, warum zahlreiche tibetische und nepalesische Statuen und Gemälde, die den im Mahabodhi-Stupa aufgestellten Shakyamuni darstellen, burmesischen Buddhas ähneln, die sich unter anderem durch breite Schultern und verkürzte Hälse auszeichnen.

    Eine weitere kleine Messingstatue stellt die buddhistische Göttin Mahashri-Tara dar, die in der "Haltung der Gelassenheit" (Lalitasana) auf einem Doppellotus-Thron sitzt (8). Sie zeigt die "Geste des Rades des Gesetzes" (Dharmacakra-Mudra) und ist üppig mit Ornamenten geschmückt. Den ikonographischen Kompendien zufolge ist Mahashri-Tara die einzige Tara, welche diese Geste zeigt. Eine kämpferischere Haltung strahlt Acala aus, der auf dem Leichnam des besiegten Hindu-Gottes Ganesh steht (9). Acala erhebt mit der rechten Hand das Schwert als Symbol des "Durchschneidens der Unwissenheit" und hält mit der linken Hand in der Drohgeste eine Schlinge. Diese ist ein Attribut zornvoller Gottheiten zur Ergreifung der Widersacher der Lehre Buddhas. Bemerkenswert ist auch eine Miniatur-Steinbildhauerarbeit, welche den Yidam Kapaladhara Hevajra darstellt, in seiner sechzehnarmigen Form mit acht Gesichtern und vier Beinen, vereint mit seiner Gefährtin Nairatmya (10). 

     Die Kunst aus der Zeit des Pagan-Königreiches im oberen Burma war sehr stark von den ostindischen Kunststilen beeinflusst. Insbesondere die Pala-Werkstätten waren eng mit der Kunst der Pagan des 11. und 12. Jahrhunderts verbunden. Obwohl zahlreiche gekrönte Buddhas in der Kunst der Pagan bekannt sind, sind Statuen, die in einem solchen Ausmass mit Silber und Kupfer eingelegt sind, selten (11). Die stilistischen Unterschiede zwischen Nordost-Indien und Ober-Burma sind nicht markant, sondern zeigen sich eher in leichten Unterschieden. Insbesondere die Modellierung des Kopfes, des Oberkörpers und des kurzen Halses dienen als Unterscheidungsmerkmale. Ein weiteres illustriertes Bildnis des Shakyamuni wurde aus einem gelblich-beigen Stein geschnitzt, der in Myanmar als „Andagu“ bekannt ist (12). Diese Statue dokumentiert eine frühe Übergangsphase in der Entwicklung des Pagan-Stils, der auf den Traditionen der ostindischen Pala-Schulen basiert.

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7.  Buddha Shakyamuni. Nordost-Indien; später Pala-Stil: 11./12. Jahrhundert. 

     Messing; einteiliger Hohlguss. Mit Einlegearbeiten aus Silber und Kupfer. Höhe: 18      cm

8.  Mahashri-Tara. Nordost-Indien; später Pala-Stil: 11./12. Jahrhundert.

     Messing; Hohlguss. Mit Einlegearbeiten aus Silber und Kupfer. Höhe: 11,3 cm

9.  Acala. Nordost-Indien; später Pala-Stil: 11./12. Jahrhundert.

     Messing; Hohlguss. Mit Einlegearbeiten aus Silber und Kupfer. Höhe: 12 cm

10.  Kapaladhara Hevajra. Nordost-Indien; später Pala-Stil: 11./12. Jahrhundert.

       Dunkelgrauer Stein (möglicherweise Phyllit). Höhe: 12,3 cm

11.  Gekrönter Buddha. Burma; Pagan Periode: 12. Jahrhundert.

       Messing; mit Einlegearbeiten aus Silber und Kupfer. Höhe: 11,2 cm

12.  Buddha Sakyamuni. Burma; Pagan-Periode: 11. Jahrhundert. Gelblich-beiger    

       Stein (Andagu). Höhe: 9 cm

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